Sonntagssprechstunde am 14.5.2017, 11.45 Uhr mit Dr. Walter Kilian – „War Kaiser Nero ein Monster?“

Wollte man ein Ranking der bekanntesten römischen Kaiser aufstellen, so dürften die Namen Augustus und Nero die vordersten Plätze einnehmen. Dabei erscheint Augustus dem heutigen Betrachter als guter Kaiser, Nero – er lebte von 37 bis 68 n. Chr. – dagegen als böser Kaiser schlechthin. Er gilt als Brandstifter Roms, als erster Christenverfolger, als Mutter- und Gattinnenmörder und bestenfalls als lächerlicher Möchtegern-Künstler. Zu diesem Bild hat auch der Hollywood-Film „Quo vadis“ aus dem Jahre 1951 beigetragen, in dem Peter Ustinov unter Aufbietung aller seiner Schauspielkunst einen hinreißenden dekadenten Nero verkörperte.

Das negative Urteil über Nero geht wesentlich auch auf die römischen Historiker Tacitus, Sueton und Cassius Dio zurück, die als Angehörige der konservativen Aristokratie dem überspannten Sonderling auf dem Kaiserthron kritisch gegenüber standen. So sahen sie den Drang Neros, sich dem Volk, das ihn lange Zeit bejubelte, als Sänger und Schauspieler darzustellen, als abstoßend und als unverzeihliche Missachtung der Pflichten eines Herrschers an. In der Spätantike verdüsterte die Verfolgung der Christen nach dem Brand von Rom das Bild des Kaisers noch weiter. Die ersten fünf Jahre der Herrschaft Neros (54 bis 59 n. Chr.) bezeichnen die antiken Historiker als gute und glückliche Jahre. Hier dürfte noch der Einfluss Senecas, des Erziehers des jungen Nero, spürbar gewesen sein. Dass die späteren Jahre nicht zuletzt von Ausschweifung, Verschwendung und zahllosen Morden geprägt waren, steht außer Zweifel.

Neros heutige Bekanntheit beruht nicht auf politischen Leistungen. Seine Faszination rührt aus jenen tiefen menschlichen Abgründen, die ihn als Musterbeispiel des „Cäsarenwahnsinns“ erscheinen lassen. Seine bekannten Untaten, verbunden mit einer ausgeprägten und sich zunehmend hemmungsloser erweisenden Exzentrik prägen ein Bild, das zu pflegen bequemer ist als das Bemühen, historische Quellen und tradierte Vorstellungen genauer zu hinterfragen.

Dr. Walter Kilian 

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