Bestimmungen zur kirchlichen Bußpraxis

Ständiger Rat der Deutschen Bischofskonferenz 1987

Durch Glaube und Taufe sind wir Christen mit Gott versöhnt und in die Lebensgemeinschaft mit Christus und seiner Kirche aufgenommen. Was wir in der Taufe als Gabe empfangen haben, das ist zugleich unsere Aufgabe: Immer mehr sollen wir die Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus verwirklichen. Trotzdem vernachlässigen wir immer wieder unsere Berufung oder werden ihr durch unsere Schuld untreu. Durch die Schwäche und Sünde der einzelnen Christen bleibt auch die Kirche als Gemeinschaft hinter dem Auftrag des Herrn zurück. Uns allen gilt daher der Ruf Jesu: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1, 15). So müssen Buße, Umkehr und Erneuerung, die der Herr uns zu schenken bereit ist, eine Grundhaltung jedes Christen sowie der ganzen Kirche sein (vgl. GL Nr. 54).
I. Bußzeiten

Von Anfang an haben die Christen feste Zeiten der Besinnung und Buße gehalten und dabei erfahren, wie wichtig und hilfreich es für uns Menschen ist, Wege der Umkehr in bestimmten Zeiten immer wieder als Gemeinschaft der Glaubenden einzuüben.

Die österliche Bußzeit

Alljährlich bereitet sich die Kirche in einer vierzigtägigen Bußzeit auf die österliche Feier des Todes und der Auferstehung des Herrn vor (vgl. GL Nr. 159). In dieser Zeit suchen wir Christen uns und unseren Lebensstil so zu ändern, dass durch Besinnung und Gebet, heilsamen Verzicht und neue Sorge füreinander, Christus wieder mehr Raum in unserem Leben gewinnt. Als einzelne und als Gemeinschaft machen wir uns bereit, in der Osternacht das Taufversprechen bewusst und entschieden zu erneuern und in dankbarer Freude mit Christus das Ostermahl zu halten.

Der Aschermittwoch und der Karfreitag

Am Aschermittwoch beginnt die Kirche mit einem gemeinsamen Fasttag ihren gemeinsamen österlichen Weg. Nach Möglichkeit nehmen die Gläubigen am Aschermittwochgottesdienst teil und lassen sich als äußeres Zeichen der Bußgesinnung die Asche auflegen. Am Karfreitag feiert die Kirche ihren leidenden und gekreuzigten Herrn. Verbunden mit dem Herrn begeht sie diesen Tag der Buße und des strengen Fastens. In der Feier vom Leiden und Sterben Christi gedenkt sie des seligmachenden Todes ihres Erlösers. Die Kirche empfiehlt, das Fasten des Karfreitags auf den Karsamstag auszudehnen.

Drei Grundvollzüge in der österlichen Bußzeit

Gebet

Wir handeln im Geiste Jesu und entsprechen dem Wunsch der Kirche, wenn wir in der Fastenzeit neu auf Gottes Zuwendung zu uns antworten und uns besonders darum bemühen, unser persönliches Beten und das Beten mit den anderen zu erneuern, zum Beispiel das Morgen- und Abendgebet, das Tischgebet, den „Engel des Herrn“. Gemeinschaft mit Gott sollten wir in dieser Zeit auch suchen durch Lesen der Heiligen Schrift, Besuch der Fastenpredigt, Teilnahme an Besinnungstagen, Exerzitien, Zeiten der Stille, Kreuzweg- oder Rosenkranzandachten. Vornehmlich erneuern und vertiefen der Empfang des Bußsakramentes und die Mitfeier der Eucharistie auch an Werktagen unsere Gemeinschaft mit Gott.

Fasten und Verzicht

Es ist eine Erfahrung aller geistlichen Traditionen, dass das leibliche Fasten ein unerlässlicher Bestandteil jeder intensiveren Besinnungszeit ist; das gilt insbesondere, wenn diese Besinnungszeit von einer Gemeinschaft gehalten wird. Deshalb bleibt das Fasten an allen Werktagen der österlichen Bußzeit angeraten. Wer nicht im strengen Sinn fasten kann, sollte sich wenigstens im Essen, Trinken und Rauchen, im unkontrollierten Gebrauch der Medien einschränken und auf Parties, Tanzveranstaltungen und ähnliche Vergnügungen verzichten. Durch das leibliche Fasten und alle Formen des Verzichtes gewinnen wir neue Freiheit gegenüber den eigenen Wünschen und Bedürfnissen und damit Freiheit für Gott und für den Menschen neben uns. Wir üben damit zugleich als einzelne und als weltweite Glaubensgemeinschaft jedes Jahr neu die Haltung jenes Konsumverzichtes ein, ohne den die Menschheit ihre Zukunft nicht bestehen wird.

Almosen und Werke der Nächstenliebe

Seit alters her haben die Christen es als einen besonderen Sinn des Fastens angesehen, mit den Armen zu teilen. Mehr noch als sonst im Jahr sollen wir Christen uns in der Fastenzeit sorgen um Menschen in leiblicher und seelischer Not, um Alte, Kranke und Behinderte, um mutlose, ratlose und verzweifelte Menschen, in denen uns Christus begegnet. Von daher hat das am Ende der Fastenzeit erbetene Opfer seinen Sinn. Besonders wichtig ist unser Dienst an der Versöhnung in einer Zeit, die von vielen schmerzlichen Spaltungen heimgesucht wird. Lehrt doch der Herr selbst, dass vor dem Opfer die Versöhnung unter den Schwestern und Brüdern erfolgen muss. Diese ist eng mit der Bekehrung des Herzens verbunden. Sie ist der notwendige Weg zu einer Verständigung unter den Menschen. Der Auftrag zur Versöhnung gilt für uns jederzeit, aber in der österlichen Bußzeit sind wir aufgerufen, uns dieses Anliegen besonders zu eigen zu machen. Wo die österliche Bußzeit Jahr für Jahr eine von jeder Gemeinde und der ganzen Kirche begangene Zeit des Gebetes, des Fastens und der Nächstenliebe ist, wird sie zu einer Art „großer, 40tägiger Jahresexerzitien“ des heiligen Volkes Gottes, die in die gemeinsame Erneuerung des Taufversprechens und in die gemeinsame Feier des österlichen Geheimnisses einmündet.

Die Freitage des Jahres

Umkehr und Erneuerung unseres Lebens sind uns das ganze Jahr über aufgetragen. Sie müssen unseren Alltag prägen in Ehe und Familie, in Arbeit und Freizeit, in Gesundheit und Krankheit. Daran erinnert das ganze Jahr hindurch der Bußcharakter des Freitags. Das Freitagsopfer – als Enthaltung von Fleischspeisen oder als Verzicht in anderen Formen – kennzeichnet allwöchentlich für uns Katholiken den Tag, an dem unser Erlöser gestorben ist, und bereitet uns vor auf den Sonntag, den die Kirche seit den ältesten Zeiten als den Tag der Auferstehung heiliggehalten hat.
II. Bußgottesdienst und Bußsakrament

Es gehört zu unseren bedrückenden Lebenserfahrungen, dass unter Menschen die Bitte um Vergebung ohne Antwort bleiben kann. Jesus Christus hat uns die grenzenlose Vergebungsbereitschaft Gottes verkündet und der Kirche den Dienst der Versöhnung aufgetragen. Diese Versöhnung verkündet und feiert die Kirche auf vielfältige Weise in gottesdienstlichen Formen.

Bußgottesdienst

In der Feier von Bußgottesdiensten wird besonders deutlich erfahrbar, dass die Kirche auch eine Kirche der Sünder und zugleich Ort und Zeichen der Versöhnung ist. Wir stehen mit unserer Schuld nicht allein vor Gott. Wir wissen uns als Glieder einer Gemeinschaft von Gläubigen, die oft hinter dem Auftrag Christi zurückbleibt. Bußgottesdienste bieten besondere Möglichkeiten der Bußverkündigung, der gemeinsamen und gründlichen Gewissenserforschung und der Neuorientierung einzelner, von Gruppen und der ganzen Gemeinde. Im Bußgottesdienst rufen wir gemeinsam das Erbarmen Gottes herab und erbitten im Namen Christi Versöhnung mit Gott und untereinander. Es erfolgt jedoch keine sakramentale Lossprechung. Daher dürfen Bußgottesdienste nicht mit der Feier des Bußsakramentes verwechselt werden. Dennoch sind sie sehr nützlich zur Bekehrung und zur Reinigung des Herzens. Bei wahrer Umkehr und Reue aus Liebe zu Gott werden Sünden vergeben. Es bleibt jedoch die Pflicht, die schweren Sünden im Bußsakrament zu bekennen (vgl. GL Nr. 55).

Bußsakrament

Unter den gottesdienstähnlichen Formen der Buße nimmt das Bußsakrament eine herausragende Stellung ein. Der Herr hat es als Geschenk seiner Güte und „Menschenliebe“ zur Vergebung der Sünden, die nach der Taufe begangen wurden, gestiftet und der Kirche anvertraut (vgl. GL Nr. 58). Das persönliche Bekenntnis, das dem Charakter von Schuld und Sünde als einem zutiefst personalen Geschehen entspricht, ist Begegnung des Sünders mit dem verzeihenden Gott. Es ist die Geste des verlorenen Sohnes, der zum Vater zurückkehrt und von ihm mit dem Friedenskuss empfangen wird. Das konkrete Bekennen unserer Schuld fördert eine gute Gewissenserforschung, denn es ist wichtig für unser Wachstum im Glauben, unsere Grundeinstellungen und ethischen Maßstäbe in überschaubaren Zeitabständen zu überprüfen, tiefer liegende Fehlhaltungen zu entdecken und uns immer wieder neu der Liebe Gottes zu öffnen. So hilft das individuelle Bekenntnis, uns entschiedener vom Bösen abzuwenden und es eröffnet die Möglichkeit geistlicher Führung. Der Priester als Verwalter des Bußsakramentes handelt „in der Person Christi“. So versichert uns der Glaube, dass der reuige Sünder bei der Lossprechung der Macht und dem Erbarmen Gottes begegnet und Verzeihung seiner Sünden erhält. Zugleich hat dieses Sakrament eine soziale Dimension. In ihm steht die ganze Kirche dem Büßer bei und nimmt ihn wieder in ihre Gemeinschaft auf und das um so mehr, als die ganze Kirche durch seine Sünde verletzt und verwundet worden ist. Der häufige Empfang des Bußsakramentes stärkt das Bewusstsein, dass auch die täglichen Sünden Gott beleidigen und die Kirche, den Leib Christi, verwunden. Vor allem aber ist hervorzuheben, dass die Gnade, die dieser sakramentalen Feier eigen ist, eine große Heilkraft besitzt und die Wurzeln der Sünde auszureißen hilft.

Besondere Anlässe für den Empfang des Bußsakramentes sind die Hochfeste des Kirchenjahres, insbesondere das Osterfest, auf das sich die Gläubigen vor allem auch durch den Empfang des Bußsakramentes in der österlichen Bußzeit vorbereiten, wiederkehrende Termine (z. B. Herz-Jesu-Freitag), besondere liturgische Feiern (z. B. Taufe, Erstkommunion, Firmung, Trauung, Todesfall in der Familie); Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt (z. B. Schulentlassung, Eheschließung, Eintritt in den kirchlichen Dienst oder in einen neuen Beruf), persönliche Erfahrungen (Glaubensschwierigkeiten, Exerzitien, Krankheit, ein zur Besinnung rufendes Erlebnis).

Buße in den vielfältigen Formen hilft uns, die Versuchung zu Willkür, Egoismus, Sucht, Untreue oder Verbitterung zu bewältigen, im Glauben zu reifen und immer mehr die Gemeinschaft mit Jesus Christus zu vertiefen, die Gott uns in der Taufe durch den Hl. Geist geschenkt hat. Gott begegnet uns so als der Vergebende und Barmherzige, wie schon der Prophet Jesaja sagt: „Ich fege deine Vergehen hinweg wie eine Wolke und deine Sünden wie Nebel. Kehre um zu mir; denn ich erlöse dich“ (Jes 44, 22).
II. Weisungen zur Bußpraxis

1. Aschermittwoch und Karfreitag

Der Aschermittwoch und der Karfreitag sind strenge Fast- und Abstinenztage. Der katholische Christ beschränkt sich an diesen Tagen auf eine einmalige Sättigung (Fasten) und verzichtet auf Fleischspeisen (Abstinenz). Die Verpflichtung zum Fasten betrifft Erwachsene vom vollendeten 18. Lebensjahr bis zum Beginn des 60. Lebensjahres. Das Abstinenzgebot verpflichtet jeden Katholiken vom vollendeten 14. Lebensjahr bis zum Lebensende. Entschuldigt ist, wer durch Krankheit, auf Reisen, am fremden Tisch oder durch schwere körperliche Arbeit am Fasten oder an der Abstinenz gehindert ist. Neben der einmaligen Sättigung ist am Fasttag zu den beiden anderen Tischzeiten eine kleine Stärkung erlaubt.

2. Fastenopfer

Jeder Christ soll je nach seiner wirtschaftlichen Lage jährlich, womöglich am Ende der österlichen Bußzeit, ein für ihn spürbares Geldopfer für die Hungernden und Notleidenden geben.

3. Die Freitage des Jahres

Alle Freitage des Jahres sind im Gedenken an das Leiden und Sterben des Herrn kirchliche Bußtage, an denen der Christ zu einem Freitagsopfer verpflichtet ist; ausgenommen sind die Freitage, auf die ein Hochfest fällt (z. B. Erscheinung des Herrn, Aufnahme Mariens in den Himmel). Zum Freitagsopfer ist jeder Katholik vom vollendeten 14. Lebensjahr bis zum Lebensende verpflichtet. Das Freitagsopfer kann verschiedene Formen annehmen: Verzicht auf Fleischspeisen, der nach wie vor sinnvoll und angemessen ist, spürbare Einschränkung im Konsum, besonders bei Genussmitteln, Dienste und Hilfeleistungen für den Nächsten. Das durch das Freitagsopfer Ersparte sollte mit Menschen in Not brüderlich geteilt werden. Auch eine andere spürbare Einschränkung im Konsumverhalten ist denkbar. Das Zeugnis eines gemeinsamen Freitagsopfers hat zudem seinen besonderen Wert. Kirchliche Häuser, Ordensgemeinschaften und geistliche Vereinigungen können hier ein Beispiel geben. Dem Sinn des Freitagsopfers entsprechen auch Gebet und andere Frömmigkeitsübungen, eine wirkliche Einschränkung und der Dienst am Nächsten.

4. Bußgottesdienst

Bußgottesdienste sollen im Leben jeder Gemeinde einen festen Platz haben. Im Advent und in der österlichen Bußzeit sollen sie der entfernteren Vorbereitung auf die kommenden Hochfeste dienen. Bußgottesdienste haben so einen eigenständigen Charakter. Sie sind aber kein Ersatz für das Bußsakrament.

5. Bußsakrament

Das Bußsakrament ist das vom Herrn gestiftete Sakrament der Versöhnung. Bei allen schweren Sünden ist sein Empfang unerlässlich. Unter schwerer Sünde versteht die Kirche, dass sich der Christ in wichtiger Sache bewusst und frei gegen Gottes Willen und Ordnung entscheidet, wie sie in der Kirche verkündet werden; denn durch solches Tun wendet er sich von Gott und der Gemeinschaft der Kirche ab. Wer sich in schwerer Sünde von Gott abgewandt hat, muss umkehren und sich durch den Empfang des Bußsakramentes versöhnen lassen, ehe er zum Tisch des Herrn hinzutritt. Auch denen, die sich keiner schweren Sünde bewusst sind, empfiehlt die Kirche, in Zeitabständen, in denen das eigene Leben noch überschaubar ist, das Bußsakrament zu empfangen.

Weisung zur Sonntagsfeier und Osterkommunion

Ein katholischer Christ ist verpflichtet, an jedem Sonntag und gebotenen Feiertag die heilige Messe mitzufeiern. An Sonn- und Feiertagen ohne schwerwiegenden Grund die Eucharistiefeier zu versäumen, ist eine ernsthafte Verfehlung vor Gott und der Kirche. An Ostern feiert die Kirche in der Freude des neuen Lebens gemeinsam das große Fest der Erlösung, Tod und Auferstehung des Herrn. Darum soll jeder Christ wenigstens einmal im Jahr, und zwar in der österlichen Zeit (Aschermittwoch bis Pfingstsonntag), in voller Weise an der Eucharistiefeier teilnehmen, indem er auch zum Tisch des Herrn geht.