Vleugels-Orgel in St. Hedwig (1970/2024)

Zur Geschichte der Orgel:

Für den 1953 eingeweihten neuen Kirchenraum – zunächst mit einer kleinen Gebrauchtorgel versehen – erstellte die Orgelmanufactur Vleugels aus Hardheim im Jahr 1970 ein neues Orgelwerk als Opus 106. Es handelte sich damals um einen 3-manualigen Neubau mit 36 klingenden Registern und rein elektrischen Trakturen. Die Planungen zu diesem Projekt begannen schon Mitte der 1960er Jahre. Eine Besonderheit der damaligen Ausführung war die sehr frühe Herstellung eines Spieltisches mit Transistoren und Halbleitertechnologie.

Die damalige Prospektgestaltung, eine frühe asymmetrische Lösung an einem weitgehend symmetrischen Standort, stellte in Ihrer Gestaltung mit Prospektpfeifen aus Zinn und Kupfer sowie einem Glasschweller den größten Einrichtungsgegenstand des Kirchenraumes dar. Beratender Orgelsachverständiger war Herr Dr. Hans Böhringer. Die Orgeleinweihung am 14. Juni 1970 spielte Herr Prof. P. A. Stadtmüller.

Im damaligen Abnahmegutachten zur Orgel wird u. a. erwähnt, dass die in ihrer Innen-u. Außenarchitektur nicht gerade hervorragende Kirche zum Ausgleich eine außergewöhnliche Orgel bekommen hätte. Es wurde darauf hingewiesen, dass durch die betonierte Stufenanlage auf der Empore eine mechanische Trakturführung nur mit Schwierigkeiten durchzuführen gewesen wäre. Dies war der hauptsächliche Entscheidungsgrund für eine elektrische Spieltraktur. Die Intonation der Register sei ausgezeichnet, vor allem hätten die Zungenregister einen strahlenden Glanz. Da die Orgel einige „entlegene“ Aliquotstimmen besitzt, sei sie auch zur Darstellung modernster Orgelmusik geeignet. Mit ihren 36 Registern war sie damals nach den Orgeln in St. Elisabeth, St. Maria und St. Eberhard die viertgrößte von den Katholischen Kirchen Stuttgarts.

Die weitere Entwicklung: 
Im Jahr 1980 wurde erstmals eine Ausreinigung der Orgel nötig. Anscheinend war die Verschmutzung im Kirchenraum durch die vorhandene Ölheizung sehr stark. Man beschäftigte sich schon damals damit, die Luftansaugung des Orgelgebläses mit einem Filter zu versehen, um die Ruß-Rückstände aus der Luft zu vermindern. In den weiteren Besprechungen hierzu entstand auch das Konzept, den mittig vor der Orgel platzierten Spieltisch fahrbar zu machen. Diese Arbeiten wurden von der Fa. Weigle aus Echterdingen ausgeführt.

Im Jahr 1995 erfolgte eine Kircheninnenrenovierung, wobei die Orgel generalüberholt wurde. Anscheinend wurden diese Arbeiten nicht zuverlässig genug ausgeführt, sodass im Jahr 1997 eine Anfrage bezüglich einer Generalüberholung an die Fa. Vleugels erging. Nach einer umfassenden Bestandsaufnahme am 02.07.1997 sowie dem umfangreichen Angebot vom 15.08.1997 und mehreren Nachfragen wurde Vleugels schließlich in der Sitzung des Kirchengemeinderates vom 22.10.1998 der Auftrag zur Generalüberholung erteilt. 

Neben der normalen Ausreinigung wurde u. a. ein neues Orgelgebläse eingerichtet. Die elektronischen Steuerteile der Schleifenzugmagnete wurden erneuert, ebenso die Schwelleransteuerung durch einen Getriebemotor ersetzt. Schon damals tauchte an einigen Gehäuseteilen Schimmelpilzbefall auf, ein Problem, welches in den letzten 15 Jahren in vielen Kirchen zu einem großen Problem wurde. Dazu kamen zahlreiche Nachintonationsarbeiten. Diese Generalüberholung fand in den ersten Monaten des Jahres 1999 statt. Schon damals war der beratender Orgelsachverständiger Herr Prof. Dr. Ludger Lohmann. In Anpassung an den neu gestalteten Kirchenraum wurde auch das Orgelgehäuse in ehemals sichtbarer Eichenholzstruktur mit einem Farbanstrich versehen. Die Orgelabnahme fand am 19. und 20. April 1999 statt. Seitdem erfolgt eine regelmäßige Wartung und Pflege des Instrumentes durch die Fa. Vleugels.

Alte Disposition der Vleugels-Orgel (1970-2024)

I Hauptwerk
Gedecktpommer 16‘
Principal 8‘
Holzflöte 8‘
Oktave 4‘
Spitzgambe 4‘
Larigot 3f. 2 2/3‘
Mixtur 4-5 f. 1 1/3‘
Trompete 8‘

II-I, III-I
Tremulant

II Schwellwerk
Rohrflöte 8‘
Quintade 8‘
Principal 4‘
Nachthorn 4‘
Nasard 2 2/3‘
Waldflöte 2‘
Terzflöte 1 3/5‘
Septime 1 1/7‘
Oktävlein 1‘
Mixtur 5-7f. 2‘
Fagott 16‘

III-II
Tremulant

III Positiv
Gedeckt 8‘
Koppelflöte 4‘
Praestant 2‘
Gemsquinte 1 1/3‘
Gross-Septnone 8/9‘ + 8/15‘
Scharffcymbel 4f. 1‘
Krummhorn 8‘

Tremulant

Pedal
Principalbass 16‘
Pommerbaß 16‘
Quintbass 10 2/3‘
Octavbass 8‘
Rohrpfeife 8‘
Choralflöte 4‘
Rauschwerk 3f. 2 2/3‘
Posaune 16‘
Schalmey 4’

I-P, II-P, III-P
Tremulant (Kleinpedal)

Zum großen Umbau im Jahr 2024:

Zum Orgelbau:
Schon seit 2018 gab es in der Gemeinde wieder die Bestrebungen, die Orgel einer umfassenden Generalüberholung zu unterziehen. Anlass dafür war eine starke Verschmutzung, die sich über die Jahre gebildet hat, und vor allem eine technische Überholung, da die Elektrik nicht mehr den aktuellen Voraussetzungen entsprach. Erste Konzepte wurden von Orgelsachverständiger Prof. Dr. Ludger Lohmann und Kirchenmusiker Lukas Grimm erstellt.

Da besonders der alte Spieltisch mit seiner Elektrik, die nach 50 Jahren mehr und mehr Ausfälle und Störungen erwies, komplett neu gebaut werden sollte, bot es sich an, auch einige klangliche Änderungen am Instrument vorzunahmen. So wurde an der linken Gehäusewand ein englisches Zungenregister namens Tuba in 8‘ und 4‘-Lage in einem eigenen Schwellkasten eingerichtet. Somit kann sie kräftig als Solo-Register hervortreten und sich bei geschlossenem Schweller leise in den Gesamtklang einbringen. Ebenso wurde die Orgel mit einem Untersatz 32‘ um eine volle Oktave nach unten erweitert. Neben diesen großen Änderungen wurden weitere kleine, jedoch nicht zu vernachlässigende Umbauten vorgenommen. So wurden im Schwellwerk vier Grundstimmen (Geigenprincipal 8‘, Gamba 8‘, Vox coelestis 8‘ und Hautbois 8‘) eingebaut und im Positiv entlegene Aliquotstimmen gegen tiefere Aliquotstimmen (Terz 1 3/5‘ und Quinte 2 2/3‘) ersetzt, um einen grundtönigeren und voluminöseren Klang zu erreichen, der den großen Raum St. Hedwig sehr gut füllt. Ebenso wurden alle Register neu intoniert, was zu einer besseren Verschmelzung im Raum führt. Damit die zuvor klappernden Glasschweller zu einer besseren Dämpfung des Schwellwerks führen, wurden sie durch massive Holzjalousien ersetzt.

Zur künstlerischen Gestaltung:
Durch die Erweiterung des Gehäuses, den neuen Holzschweller und den schlechten Zustand der alten Gehäusefassung bedingt, entstand die Idee, die Orgel nicht wieder eintönig zu lackieren, sondern künstlerisch zu gestalten. Dies bot sich durch die großen vorhandenen Holzflächen an. In Abstimmung mit der Fa. Vleugels wurde der Würzburger Künstler Jacques Gassmann beauftragt, die Orgel zwar in den Raum eingepasst, jedoch optisch auffallend, zu gestalten. Jacques Gassmann hatte bereits seit den 1990er Jahren einige Orgeln der Fa. Vleugels bemalt.

Als Grundkonzept bestand die klare Abgrenzung zwischen alten und neuen Gehäuseteilen. Und so wurden die drei großen alten Gehäuseteile in drei Grautönen, welche aus dem Altarbild von Ben Willikens entnommen wurden, eingefasst. Die neuen Blenden links und rechts und die neuen Schwelljalousien aus Holz bemalte Jacques Gassmann in seiner eigenen Technik mit transparenten Pigmenttuschen, welche das streng geometrische alte Gehäuse ins dynamische öffnen. Highlight ist das „Blaue Auge“ auf dem Schweller; was es letztendlich ist, bleibt dem Betrachter überlassen. Die Wirkung der bemalten Schwelljalousien ändert sich dynamisch mit ihrer Öffnung beim Spielen. Öffnet sich der Schweller, so tritt ein prägnanter Orange-Rot-Ton hervor, der auf eine akustisch durchlässige Leinwand, die direkt hinter den Schwelljalousien angebracht ist, aufgemalt ist. Die Kirche hat jetzt neben dem großen Altarbild ein weiteres optisches Highlight gewonnen.

Neue Disposition der Vleugels-Orgel (Seit 2024)

I Hauptwerk
Großgedackt 16‘
Principal 8‘
Geigenprincipal 8‘
Holzflöte 8‘
Oktave 4‘
Spitzgambe 4‘
Larigot 2f. 2 2/3‘ + 2‘
Mixtur 4 f. 1 1/3‘
Trompete 8‘
Tuba 8‘
Tuba 4‘
Clarinette 8‘

Glockenspiel

II-I, III-I, Sub III-I, Super III-I
Tremulant

II Positiv
Geigenprincipal 8‘
Gedeckt 8‘
Koppelflöte 4‘
Quinte 2 2/3‘
Dublette 2‘
Terz 1 3/5‘
Gemsquinte 1 1/3‘
Oktävlein 1‘
Cromorne 8‘
Tuba 8‘
Tuba 4‘
Clarinette 8‘

Glockenspiel        

Cymbelstern        

III-II, Sub III-II, Super III-II
Tremulant

III Schwellwerk
Geigenprincipal 8‘
Rohrflöte 8‘
Gamba 8‘
Vox coelestis 8‘
Principal 4‘
Nachthorn 4‘
Nasard 2 2/3‘
Waldflöte 2‘
Terzflöte 1 3/5‘
Septime 1 1/7‘
Mixtur 4f. 2‘
Fagott 16‘
Hautbois 8‘
Tuba 8‘
Tuba 4‘
Clarinette 8‘

Glockenspiel

Sub III, Super III
Tremulant

Pedal
Untersatz 32‘
Principalbass 16‘
Subbass 16‘
Quintbass 10 2/3‘
Octavbass 8‘
Rohrpfeife 8‘
Geigenprincipal 8‘
Choralflöte 4‘
Rauschwerk 3f. 2 2/3‘
Posaune 16‘
Trompete 8‘
Tuba 8‘
Tuba 4‘

Glockenspiel

I-P, II-P, III-P, III-P Super
Tremulant (Kleinpedal)

vacant (noch nicht eingebaut)